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Libertäre Rundschau

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Stefan Blankertz

Stefan Blankertz (* 23. Juni 1956) ist Schriftsteller und Sozialwissenschaftler. Laut dem Herausgeber des Magazins eigentümlich frei,  André F. Lichtschlag, ist Blankertz »Deutschlands dienstältester Anarchokapitalist« und gilt als Vertreter einer ideologiefreien klassisch libertären, anarchokapitalistischen Position.


Leben

Blankertz studierte Soziologie und promovierte 1983 bei Christian Sigrist mit einer Arbeit über Paul Goodman. 1987 Habilitation in Erziehungswissenschaften mit einer Arbeit über libertäre Staatsschulkritik. Von 2002 bis 2003 war Blankertz Gastprofessor im Bereich Erziehungswissenschaft in Frankfurt a. M..

Stefan Blankertz, Libertäre Rundschau
Blankertz war 2001 einer der Gründungsgesellschafter der Lichtschlag KG zur Umwandlung von »eigentümlich frei« in eine Monatszeitschrift. Blankertz vertritt eine historisch-materialistische Staatskritik. Als Alternative zum Staat und der durch ihn ausgelösten Verödung des Lebens setzt Blankertz die Selbstbestimmung.

Foto: fotografa/Marten 2012


Werke und Engagements

1970 bis 1977 Schülerzeitung »Neue Viehzucht: Anarchoblatt aus Münster«.

1976 Mitbegründung des Verlages »Büchse der Pandora« (zunächst Telgte, dann Wetzlar).

1980 Mitgründung von »Schwarzer Faden: Anarchistische Vierteljahrsschrift«. Ab 1983 deutscher Repräsentant zunächst der »Libertarian International«, dann »International Society for Individual Liberty«; in diesem Rahmen internationale Vortragstätigkeit.

1983 im Rahmen seiner Promotion: »Kritischer Pragmatismus: Zur Soziologie Paul Goodmans«, 1990 Neuauflage unter dem Titel »Paul Goodmans kritischer Pragmatismus: Zur politischen Bedeutung der Gestalttherapie«.

1987 Habilitation in Erziehungswissenschaften mit einer Arbeit über libertäre Staatsschulkritik »Legitimität und Praxis: Öffentliche Erziehung als pädagogisches, soziales und ethisches Problem.«

1986 bis 1998 Desktop-Publisher, Werbetexter und Creative Director.

1993 Geschäftsführer des »Profil-Verbandes der Träger für berufliche Bildung«. 

Seit 1993 Theorie-Trainer in der gestalttherapeutischen Ausbildung am Gestalt-Institut Köln (GIK); dort 2004 Entwicklung und Markteinführung des »Gestalttypen-Indikators« (GTI) als erstes computerbasiertes gestalttherapeutisches Diagnoseinstrument.

1999 bis 2010 Geschäftsführer des Pro Change Instituts für Personalentwicklung.

2002-2003 Gastprofessor (Erziehungswissenschaft) in Frankfurt am Main.

2010 mit Gabriele Blankertz Gründung des »Gestalt-Salons Berlin«.

Veröffentlichungen im Bereich politischer Philosophie (u.a. »Thomas von Aquin: Die Nahrung der Seele«, 2012; »Die Katastrophe der Befreiung: Faschismus und Demokratie«, 2013),

Gestalttherapie (u.a. »Verteidigung der Aggression: Gestalttherapie als Praxis der Befreiung«, 2010)

Lyrik (u.a. mit Marie T. Martin Goodman-Nachdichtungen »kleine gebete«, 2013) und Romane (u. a. »Die Literatte«, 2011; »Du sollst nicht töten«, 2012).


Einordnung

Stefan Blankertz vertritt eine historisch-materialistische Staatskritik. Dabei stützt er sich neben libertären Klassikern wie Franz Oppenheimer und Murray Rothbard auch auf seinen akademischen Lehrer, den marxistischen Ethnologen Christian Sigrist. Seine Theorie erläutert er grundlegend in »Das libertäre Manifest«, das 2001 zuerst und 2012 in stark überarbeiteter Form erschienen ist. Der Staat sei durch Eroberung entstanden, wobei die Eroberer daran interessiert waren, sich die Arbeitsprodukte der Eroberten anzueignen. Die Funk­tion der Ausbeutung hat der Staat stark differenziert, aber im Prinzip  beibehalten; prinzipiell könne der Staat sie auch nicht ablegen.

Der Staat entwickele sich durch drei Dynamiken:

1. differenziert sich die Wirtschaft ebenso wie die Ausgebeuteten Wege finden, ihre Arbeitsprodukte dem Zugriff zu entziehen, sodass die Instrumente der Enteignung immer ausgefeilter werden müssen.

2. müssen, um den Widerstand der Enteigneten zu reduzieren, immer mehr Personen wirklich oder vermeintlich am Ausbeutungsgewinn beteiligt werden.

3. schließlich macht der Staat die Enteigneten von sich abhängig, indem er sozial notwendige Funktionen okkupiert (monopolisiert).

Im Spätetatismus – ein von Blankertz geprägter Begriff – erscheine den Menschen der Staat als notwendig; eine Lebensorganisation ohne Staat können sie sich kaum mehr vorstellen. Ökonomisch sei es kaum mehr möglich zu bestimmen, wer Gewinner (Nettosteuerkonsument) und wer Verlierer (Netto­steuerzahler) sei. Das Leben werde durch zunehmend enger werdenden Bestimmungen reglementiert, eine freie Entfaltung ist nicht mehr möglich.

Neben der ökonomischen und historischen Argumentation greift Blankertz auch auf Erkenntnisse der Gestalttherapie und besonders des politisch engagiertesten von deren Mitbegründern zurück, Paul Goodman. Die staatlichen Reglementierungen und der damit einhergehende Verlust der Selbstbestimmung einerseits und die Erlaubnis, im Namen »der Gesellschaft« Andere zu reglementieren, andererseits, führe zu einer Verkümmerung der humanen und kreativen Potenziale der Menschen, bei vielen zu Neurosen, bei manchen zu sinnlos gewalttätigen Psychosen (im Gegensatz zu gezielten und sinnvollen Akten des Widerstandes).

Als Alternative zum Staat und der durch ihn ausgelösten Verödung des Lebens setzt Blankertz die Selbstbestimmung. Selbstbestimmung definiert er als Verfügungsrecht jedes Menschen über sich selbst (den eigenen Körper) und seine Arbeitsprodukte. Durch freiwillige Kooperation zwischen diesen (Selbst-) Eigentümern entsteht eine freie Gesellschaft. Das Kriterium, das Blankertz benennt, ist das Recht des Austritts aus jedweden Verbindungen, Kooperationen, Organisationen, Institutionen. Ohne Eigentum und Austrittsrecht werde Gesellschaft zur staatlichen Tyrannei.[1] Demokratie mache den Staat nicht legitimer, sondern weite dessen Befugnisse nur noch mehr aus: Für Blankertz ist Demokratie nicht der Gegensatz, sondern die Vorstufe zum Faschismus, wie er in seinem Buch »Die Katastrophe der Befreiung« (Berlin 2013) darlegt.

Im »Libertären Manifest« (Version 2012) nimmt Blankertz auch Stellung zu Diskussionen innerhalb des libertären Lagers. Seine Ansichten zum Staat lassen jede Idee eines »Minimalstaates« als unsinnig erscheinen, denn der Staat könne prinzipiell seiner Rolle und Funktion als gewaltsamer Ausbeuter und Eroberer nicht ablegen. In »Die Katastrophe der Befreiung« beschreibt Blankertz unter dem Begriff »Re-Etatisierung«, wie der Minimalstaat der USA mit innerer Notwendigkeit zum mächtigsten Staat der Gegenwart werden konnte. In »Das libertäre Manifest« verwahrt er sich auch gegen die Kooperation mit solchen konservativen Kreisen und Forderungen, die von manchen Libertären als »kleineres Übel« angesehen werden. Kriterium für sinnvolle libertäre Kooperationen mit anderen politischen Kräften ist laut Blankertz, ob sie einen wirklichen Abbau des Staates anstreben. So sei ein Bündnis mit Konservativen Verfechtern des bestehenden Schulsystems gegen »linke« (staatssozialistische) Reformer nicht libertär, weil das bestehende Schulsystem bereits völlig verstaatlicht ist.

Ein Bündnis kann es nach Blankertz im Hinblick auf das Bildungswesen mit jedem geben, der für die Ausweitung von Freiheiten und von Möglichkeiten staatsunabhängiger Bildung eintritt, egal ob mit konservativem oder linkem Hintergrund.[2] Insofern sieht sich Blankertz als Wahrer der ursprünglichen Konzeption der libertären Bewegung »jenseits von Rechts und Links« durch Murray Rothbard, dessen Gründungsmanifest »For A New Liberty« (1973/78) Blankertz bezeichnenderweise 2012 auf Deutsch neu herausgegeben hat (Für eine neue Freiheit, 2 Bände, Berlin 2012).


[1] Vgl. dazu ausführlicher als im »libertären Manifest« die Essays »Enteignung oder Aneignung« und »Subversiver Kapitalismus« in: Stefan Blankertz, Minimalinvasiv, Berlin 2012, S. 125ff.

[2] Das Schulsystem analysiert Blankertz eigens in dem Buch »Pädagogik mit beschränkter Haftung: Kritische Schultheorie«, Berlin 2012.

 


 
Erstellt am 24.10.2013, zuletzt aktualisiert 09.05.2015  
 

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