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Libertäre Rundschau

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Kurt Kowalsky:

Waffen für die Nachbarschaft? Sklavenopium vom Waffenhändler.

Waffen für die NachbarschaftEs ist wieder einmal so weit. Nach jedem Massaker in den USA blasen irgendwelche Libertären hierzulande im fehltönigen Konzert der Konservativen das Liedchen des freien Bürgers, der laut amerikanischer Verfassung das Recht hätte, eine Waffe zu tragen. Es gälte dieses Recht zu verteidigen.

Dieser Umstand, so die tendenziöse Kommentierung, ermöglichte es dem waffentragenden Bürger, sich nicht nur gegen Diebe und Räuber zu verteidigen, sondern sich auch gegen den übergriffigen Staat zu wehren.

Potzblitz! Welcher der waffentragenden Bürger und Frauen beiderlei Geschlechts hat sich denn in der Vergangenheit gegen den übergriffigen Staat zur Wehr gesetzt? Oder ist der US-Staat aufgrund dieses Zusatzartikels eventuell gar nicht übergriffig? Das wäre mir allerdings neu.

In meinem jüngsten Buch „Geht mir aus der Sonne! Wege aus der Bevormundung“ versuche ich zu verdeutlichen, wie Verfassungen entstehen. Für alle, die eben insgeheim für die illegale Anschaffung einer Maschinenpistole sparen und deshalb jede unnütze Geldausgabe für Bücher meiden müssen, hier eine kurze Zusammenfassung: Die jeweiligen Machthaber eines Staates sind Befehlsgeber einer übermächtigen, bewaffneten Streitmacht (Polizei, Militär), welche sie aus der Bevölkerung rekrutiert. Ob diese Rekrutierung gewaltsam erfolgt (zwangsweise durch Einberufung oder Wehrpflicht) beziehungsweise freiwillig, ist nicht relevant. Die verdingten oder angeworbenen Befehlsempfänger werden bei einigermaßen geschickter Führung jede individuelle moralische Überlegung zurückstellen oder ihr Handeln konfabulieren.

Geht mir aus der Sonne! Wege aus der Bevormundung.Man beachte dabei, dass die Rekrutierung stets zeitlich vor der Deklaration der Selbstbindungserklärungen der Staaten (Verfassungen) oder vorstaatlichen Herrscher erfolgt. Wir haben also nicht die Guten, welche sich eine gute Verfassung mit Zusatzartikeln geben, oder die Bösen, welche sich eine böse Verfassung geben, sondern die Machthaber, welche sich auf eine ausreichende Anzahl rekrutierter bewaffneter Schergen stützen und danach eine ihnen genehme Ordnung in Form einer Verfassung deklarieren. Gibt es mehrere dieser Gruppen oder Banden auf einem Territorium und können sich ihre Anführer nicht einigen, so ist das die Vorstufe zum Bürgerkrieg.

Am Beispiel des Nachkriegsdeutschlands 1945 bis 1949 wird dies besonders deutlich. Es war in das Belieben der Siegermächte gestellt, ob sie den besiegten Staat Deutschland völlig auflösten oder bestimmte, von ihnen ausgewählte Repräsentanten die Ausarbeitung einer ihnen genehmen Verfassung gewährten. Der Widerstand der Kriegerwitwen, Trümmerfrauen und ehemaligen Volkssturmangehörigen wäre jedenfalls denkbar gering gewesen, hätte zum Beispiel der amerikanische Oberbefehlshaber angeordnet, in jedem nicht an Polen oder Frankreich gefallenen deutschen Landkreis eine Villa für den Militärgouverneur freizumachen. Man entschied sich bekanntlich anders. Und nicht zufällig „entschied“ sich das „deutsche Volk“ in der sowjetisch besetzten Zone für die „gute“ Verfassung der DDR und das „deutsche Volk“ der besetzten Zonen der Westalliierten für die „gute“ Verfassung der BRD.

Tatsächlich aber entschied sich nicht das Volk, wie immer man sich auch so etwas vorstellen mag, sondern es wurden Legitimierungsrituale in Form von Wahlen inszeniert. Wären die 1946 abgehalten Wahlen auf Gemeinde- und Kreisebene in den Westzonen nicht im Sinne der Westalliierten ausgegangen (die Mehrheit hätte zum Beispiel Kommunisten gewählt), hätten die Verfassungsflüsterer ihre Inszenierung neu überdacht.

Da die Verfassungen (auch die der Ostzone) die gewohnten sozialen Verhaltensweisen der Bevölkerung nicht grundsätzlich revidierten, blieb nennenswerter Widerstand aus. Eine dieser gewohnten sozialen Verhaltensweise war und ist, sich einen Platz im Subordinationsgefüge einzurichten. Ein durchaus rationales Vorgehen.

Die anarchistische Perspektive

Bis zum heutigen Tag ist eine anarchistische Perspektive bezüglich des Zusammenlebens für die meisten Menschen unvorstellbar. Wohlgemerkt: schon die Perspektive – also der gedankliche Freiraum.

Nehmen wir diese trotzdem einmal ein. Eine Gruppe von Personen beschließt, auf einem bestimmten Territorium zusammenleben zu wollen. Daher beauftragt sie einige unter ihnen, sie mögen den Schutz der Gemeinschaft übernehmen. Bereits dieser Auftrag kann nicht in Kategorien wie „frei“ oder „unfrei“ eingeteilt werden. Ein Auftrag ist nie frei, sondern erfolgt im Rahmen der Weisung der Auftraggeber.

Nehmen wir nun an, der so gekürte Oberwachmann verkündete eines nicht so fernen Tages, dass er die Würde der Leute achten, ihnen freie Meinungsäußerungen zugestehen wolle, ihre Wohnung unverletzlich wäre und sie das Recht hätten, sich zu bewaffnen, es sei denn, sie verstießen gegen ein von ihm und seinen Kumpanen in der Zukunft verabschiedetes Gesetz. „Was ist los?“, würden die Leute fragen und schon wäre Schluss mit dem Oberwachmannspielen.

Erfolgt also die Vereinbarung einer Ordnung gesellig, so entspricht sie den millionenfach widerspruchsfreien, sozialen Gepflogenheiten der Menschen im Alltag. Nicht die Auftragnehmer revidieren oder erweitern den erhaltenen Auftrag, sondern die Auftraggeber. Und genau aus diesem Grund demonstrieren Hinz und Kunz nicht auf der Straße, weil zum Beispiel der von ihnen beauftragte Reinigungsdienst nicht ordentlich arbeitet, sondern kündigen den ehemals erteilten Auftrag und suchen sich einen neuen Dienstleister.

Die allgemeine Unzufriedenheit an den politischen Verhältnissen heute, die Empörung über die Verlogenheit der Politik, ist Zeichen dafür, dass die Menschen fühlen, dass sie unter etatistischen Verhältnissen die Spiele der Oberwachmänner nicht beenden können. Wäre den Leuten die Farce der staatlichen Legendenbildung bewusst, wäre ihnen auch klar, dass das politische Gezänk um andere Gesetze von anderen Oberwachmännern nicht zu mehr Selbstbestimmung führt, sondern die Spirale der Verhetzung und Verdummung lediglich in neue Farben hüllt.

„Die Zahl der Gesetze und Regulierungen, die im Verlauf eines Jahres die Parlamente passieren, geht in die Zehntausende. Sie füllen Hunderttausende von Seiten, berühren jeden Aspekt zivilen Lebens und führen zu einer stetigen Abwertung allen Rechts und einer immer höheren Rechtsunsicherheit“, so Hans-Hermann Hoppe, der im oben angeführten Buch ebenfalls vertreten ist.

Ob nun der Staat mir erlaubt, Waffen zu besitzen oder es mir verbietet, ist lediglich eine Facette der Staatstätigkeit. Immer werden Menschen durch Gewaltandrohung und Gewaltanwendung zu einem Verhalten gezwungen, das sie aus freiem Antrieb nicht gewählt hätten. Fordern nun nach einem Schulmassaker Teile der Gesellschaft, der Staat möge das jeweilige Waffenrecht verschärfen und andere halten dagegen, dass derartige Gewaltexzesse nur deshalb möglich seien, weil eben die Lehrer unbewaffnet wären, dann sind sich ja wohl beide politischen Lager darin einig, dass es nicht um die bis an die Zähne bewaffneten Sondereinsatzkommandos der staatlichen Polizeieinheiten oder der Armee geht, sondern um den Waffenbesitz von Hinz und Kunz im Rahmen der staatlichen Gesetze. Somit diejenigen, die ständig in Form von Gesetzen und Vorschriften mit Gewalt drohen, unbehelligt bleiben.

Dieser Verhältnisblödsinn ist bereits schlimm genug. Unerträglich wird die Diskussion, wenn aus angeblich libertären Kreisen dann verlautbar wird, dass das elementarste Menschenrecht schlechthin in Gefahr wäre, würde dem Menschen das Recht, sich selbst – zur Not auch mit einer Waffe – zu verteidigen, verwehrt.

Nun ist der Weg des „freien Bürgers“ bereits gesäumt von einer obsessiven, willkürlichen Regulierungswut herrschsüchtiger Parlamentarier, und kein Behördenbescheid ergeht ohne die Androhung von Strafen. Aber sein Menschenrecht entscheidet sich angeblich an seiner individuellen Bewaffnung, welche er, aufgrund der Übermacht des staatlichen Gewaltmonopolisten, nicht zu seiner grundsätzlichen Befreiung einsetzen wird. Denn stände Letzteres tatsächlich zur Option, kümmerte ihn kein staatliches Verbot.

Im Netz kursiert dann auch das Plakat eines Demonstranten, auf dem steht: „Ich sah einen Film, in dem nur die Polizei und das Militär Waffen hatte. Dieser Film hieß ,Schindlers Liste‘.“

Was hier insgeheim geschlussfolgert werden soll, ist der Fehlschluss, dass sich die Bewohner jüdischen Glaubens in den von den Nationalsozialisten beherrschten Territorien bei einer entsprechenden individuellen Bewaffnung gegen ihre zwangsweise Deportation zur Wehr gesetzt hätten. Als hätten sich diese Menschen nicht seit mehreren Generationen im oben erwähnten Subordinationsgefüge eingerichtet, wie eben Hinz und Kunz mit angeblich „arischer“ Abstammung auch. Der Organisationsgrad, der notwendig ist, um sich gegen Polizei, Geheimdienst und Armee erfolgreich zur Wehr setzen zu können, ist immens. Ihn zu erreichen war damals wie heute solange „kriminell“ (hochverräterisch) – und deshalb allseits geächtet – bis er notwendig gewesen wäre, um sich gerechtfertigt und erfolgreich zur Wehr setzen zu können. Dann aber war es zu spät und wird es hierzulande wiederum zu spät sein.

Aus anarchistischer Perspektive ist der Staat ein illegitimer, freiheitsverkürzender Zwangsapparat, gegen dessen Angriffe jede Form der Verteidigung gerechtfertigt ist. Aus der Sicht der Staatsgläubigen verschwimmen die Maßstäbe im Nebulösen. Denn Macht, die sich auf funktionierende Herrschaftsapparate stützen kann, ist nicht mehr von schwankenden Werten der Massen abhängig. In Deutschland korrespondierte damals wie heute Macht, Herrschaft und Gehorsam vorbildlich. Die Bevölkerung hat ohne Prüfung der moralischen Legitimität dem Parlament die Macht verliehen, welche es ihm erlaubt, nahezu jeden x-beliebigen Eingriff in die Integrität der Menschen und ihres Eigentums dadurch zu rechtfertigen, dass es ja „Gesetz“ sei. Kaum jemand ist sich bewusst, welches Gewaltpotenzial im entsprechenden Herrschaftsapparat steckt (vgl. dazu meinen Artikel Das Gewaltmonopol des Staates und die widerwärtige Instrumentalisierung apathischer Majoritäten“).

Ein Abgrund der Unverschämtheit

Wäre der Staat eine von den Menschen beauftragte Organisation und keine Vereinigung stationärer Banditen, könnte er überhaupt keine Rechte vergeben. So wie der beauftragte Reinigungsdienst den Wohnungsbesitzern nicht das Recht zum Wohnen gewährt oder der Gärtner das Recht zum Spaziergang im Garten, hat eine natürlich beauftragte Organisation keine Möglichkeit, irgendwas den Auftraggebern zu gewähren, sondern handelt im Rahmen ihres Auftrages oder nicht, weil man sie gekündigt hat.

Die natürlich beauftragte Verwaltung (Gas, Wasser, Straßen, Sicherheit, Justiz) ist durch die ihr gegebenen Aufträge gebunden, folglich durch Vertrag verpflichtet und abhängig. Die etatistische Verwaltung agiert dagegen im Rahmen des von den stationären Banditen gesetzten „öffentlichen Rechts“. Steuern sind bereits „Geldleistungen“, welche den Staat zu keiner „besonderen Gegenleistung“ verpflichten (§ 3 Abgabenordnung). Ein Abgrund der Unverschämtheit! Insbesondere auch deshalb, weil sich Politiker aller Farben darin überbieten, Steuererhöhungen mit konkreten Zwecken (innere Sicherheit, Schulen etc.) zu konfabulieren. Und wenig überraschend ist auch, dass der den Gewaltmonopolisten lenkenden parlamentarische Gesetzgeber, hier der Abgeordnete, an keine Aufträge und Weisungen gebunden ist (Art. 38 GG) – auch nicht vom Wähler.

Dass mir mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund der Veröffentlichung dieses Artikels morgen nicht die Polizei die Tür einrammt, ist also lediglich eine Gunst des Gewaltherrschers. Und da spätestens mit dem Ausbruch des grassierenden Infektionsschutzgesetzes auch die Unbedarfteren unter uns erfahren durften, dass bereits das Verlassen des Hauses oder der Spaziergang im Wald lediglich Gunsterweise des Gewaltapparats sind, ist es recht nebensächlich, welche Gunst ein Staat bezüglich des Besitzens oder Tragens von Waffen gewährt. Wie gewonnen – so zerronnen.

Eine Maschienenpistole für die Mama

„Mein Name ist Bond, James Bond“, sagt der Besucher des Pfandleihhauses. „Ich habe hier eine Maschinenpistole HK 53, 5,56x45 mm Nato/223 Niedermeier. Regulärer Neupreis 4.270 Euro inkl. Umsatzsteuer. Wieviel bekomme ich dafür? Ich habe nämlich einen Steuerbescheid erhalten und die wollen mir das Konto pfänden.“

„Aber nicht doch“, sagt der Pfandleihhausbetreiber, „Sie wollen doch nicht ihr elementares Menschenrecht verpfänden. Warum gibt es denn unseren Verfassungszusatz? Also los! Hier vorne rechts, das zweite Haus in der Hauptstraße ist das Finanzamt. Räumen sie da mal ordentlich auf, dann hat sich das mit den Steuerschulden erledigt.“

„Ja“, wackelt Bond mit seinem kantigen Schädel. „Ich weiß nicht. Ich bin nämlich Beamter auf Lebenszeit beim Geheimdienst. Und mache ich da jetzt Ärger, bekomme ich ein Disziplinarverfahren.“

Natürlich weiß der richtige James Bond sich auch ohne Maschinenpistole zu verteidigen. Doch seine Frau, die jeden Morgen das siebenjährige Kind mit dem Geländewagen zur 735 Meter entfernten Schule fährt, wäre ohne entsprechende Bewaffnung völlig wehrlos.

Da sich Kriminelle nicht um geltende Waffengesetze kümmern, so die urbane Legende, ist es also im Bereich des Möglichen, dass am nächsten Montag ein paar kriminelle Typen bis an die Zähne bewaffnet die Gebrüder-Grimm-Grundschule überfallen. Da aber der Herr Papa nicht überall sein kann (zurzeit ist er im Pfandleihhaus), ist es nicht mehr als Recht, Menschenrecht [sic!], dass Mama eine Maschinenpistole mit sich führt.

Ja, meine libertären Freunde im Geiste, man muss sich beim politischen Geschwätz um den Kampf für Menschenrechte schon entscheiden, in welche Richtung man schwätzt. Hängt die Freiheit davon ab, dass man sich in einer Gemeinschaft – notfalls mit einer Waffe – selbst verteidigen können soll, dann wäre ja eine Vorschrift, welche die Art der Waffe oder die Qualifikation des Waffenträgers vorschreibt, reine Willkür. Also Willkür in der oben erläuterten willkürlichen Gunstgewährung.

Als mein Sohn noch zur Schule ging, lief er die paar hundert Meter wohl unbewaffnet und ohne Mutter. Diese hätte sich auch gewiss mit jeder Art von Pistole selbst ins Knie geschossen. Doch in einer beliebigen Kohorte ausreichender Größe gibt es auch ein paar Mütter, die sich über ein montiertes Maschinengewehr auf der Rückbank des SUV ehrlich bedanken würden. Ich kenne mich in der heutigen Geschlechtervielfalt nicht mehr aus, aber die Gattung Mann ist geradezu prädestiniert in der freien Wahl von Selbstüberschätzung und Beherrschungsillusionen. Da macht die freie Wahl der Waffe bis hin zur Massenvernichtungswaffe auch richtig Sinn. Gerade im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine sollte man doch auch Herrn Selenskyj als freien Staatsmann das Recht einräumen, sich notfalls mit ein paar selbst bezahlten Atomraketen selbst verteidigen zu dürfen. Oder wollen wir ihm sein elementares Menschenrecht streitig machen?

Bleiben Sie bei mir! Ich bin nicht für oder gegen Waffen, gleich wie ich nicht für oder gegen Autos, elektrische Zahnbürsten, Toilettensteine mit Himbeergeschmack oder sonst was bin. Das sind durchweg die falschen Kategorien. Ich bin gegen blödes Geschwätz und gegen das Blasen von Zucker in den Mastdarm der Affen, welche unter der Replik „Freiheit“ in der staatlichen Herrschaftsgeschichte den Staat immer mehr ausgebaut haben. Bereits die Verabschiedung der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten durch die Delegierten aus den 13 Kolonien 1776 war kein Schritt zu weniger, sondern ein Schritt zu mehr Herrschaft.

Während Fremdherrschaft offensichtlich ist und sie die jeweiligen Gewaltherrscher zumindest begrenzt, ist Volksherrschaft eine perfide Form der verdummenden Unterdrückung, der Zwietracht und der wachsenden inhärenten Gewalt. Die gewährte Gunst, eine Waffe tragen zu dürfen (im Flugzeug ist es ein Plastikmesserchen), ist dann auch so eine Art Sklavenopium für Verfassungsfreunde.

Ich selbst fand Schießen stets furchtbar langweilig und das Tragen einer Waffe gerade im Sommer sehr hinderlich. Ich kann also schlecht nachvollziehen, in welche Glückszustände der „freie Bürger“ eintaucht, läuft er mit einem Colt durch die Gegend. Während jedoch die vom jeweiligen Gewaltherrscher gewährten Freiräume (zum Beispiel beim Gütertausch) umgehend von den Betroffenen selbst rechtlich ausgefüllt werden (die Handelspartner sind ihre eigenen Überwacher), gleicht der Freiraum bezüglich einer im Belieben des Einzelnen stehenden waffentechnischen Aufrüstung, dem Ansinnen, morgen die Straßenverkehrsordnungen aufzugeben, aber gleichzeitig den Privatbesitz des derzeitigen öffentlichen Straßenlands zu untersagen.

Lassen Sie mich deshalb zurückkommen auf die anarchistische Perspektive und die Gemeinschaft, die gewillt ist, selbstbestimmt zusammenzuleben. Sie beauftragt, so schrieb ich oben, eine Truppe, für ihren Schutz zu sorgen. Und angenommen, sie möchte ihre Energieversorgung durch den Bau eines Kernreaktors bewerkstelligen, würde sie wiederum andere Menschen beauftragen, einen solchen zu erbauen und zu betreiben. Es ist wohl reine Fiktion, doch nur eine gesellige Truppe aus der Anstalt entwichener Idioten käme auf die Idee zu meinen, es wäre ein elementares Menschenrecht, dass jeder von ihnen das Recht hätte, einen Atomreaktor zu basteln und das überschüssige Plutonium in seinem Keller zu lagern. Wer nicht, so dann die hirnrissige Argumentation, das Recht hat, im Notfall auch mit seinem eigenen Reaktor, für eine warme Stube zu sorgen, ist ein Sklave.

Dämmert’s? Auch in der vielgerühmten Privatrechtsgesellschaft ist die erste Entscheidung der Person, in einer Gesellschaft leben zu wollen. Aus anarchistischer Perspektive darf sich der Einzelne mit seinem Handeln nicht im Selbstwiderspruch befinden. Will er selbst durch einen Idioten nicht gefährdet werden, muss er ebenfalls seinen Handlungsspielraum einschränken. Da sich die meisten Leute weder selbst verteidigen können noch selbst eine Ahnung haben, wie man Strom erzeugt, werden diese Aufgaben wahrscheinlich an Leute vergeben, die sich darauf spezialisiert haben.

Wenn es die Gemeinschaft als notwendig erachtet, Schulen mit bewaffneten Kräften zu schützen, dann wird sie das tun. Die Auffassung, dass möglichst viele Familienväter individuell bereit und in der Lage sein müssen, ihre Kinder aus den Händen von Amokläufern zu befreien, erscheint mir nicht zielführend, obwohl dies im aktuellen Fall (Uvalde, Texas) angesichts einer verantwortungsscheuen, unfähigen staatlichen Polizei vermutlich Menschenleben gerettet hätte.

Nach meiner Erfahrung scheuen aber bereits Wohneigentümergesellschaften präventive Ausgaben für ihre Sicherheit, weshalb ich analog dem „Menschenrecht“ der freien Bürger auf eine warme Wohnung bleiben möchte. Viele werden wissen, was ein Technikschlüssel ist. Das Ding hat in Wohnanlagen der Hausmeister, um zum Beispiel in den Heizungsraum zu kommen. Moderne Heizungsanlagen sind recht kompliziert, weshalb es auch einen Wartungsvertrag mit einem Fachbetrieb gibt. Ich bin mir fast sicher, dass wenn Sie, meine lieben Leserinnen beiderlei Geschlechts, nun so einen Technikschlüssel in ihrem Besitz hätten, Sie nicht morgen die Heizung sabotieren würden. Genauso sicher bin ich mir aber auch, dass keine kriminelle Räuberbande übermorgen eine Schule überfällt und die Kinder erschießt. Und so müssen wir uns auch nicht sorgen, dass eine kriminelle Bande an den Technikschlüssel kommt.

Warum der Technikschlüssel jedoch – trotz der grassierenden Vernunft landauf und landab – nicht frei zugänglich ist und keine Gemeinschaft wollte, dass das Ding da irgendwo frei herumhängt, liegt an der Befürchtung, dass eines Tages der freie Psychopath von Wohnung 12/233 seine Hitzewallungen auf die „tödlichen Strahlen“ der Heizung schiebt und an der Anlage herumdreht. Und man möchte auch nicht, dass Studienrat Rohrer – oder wie immer er heißen möge – aus Wohnung 9/122 klammheimlich da unten die Temperatur regelt, weil er das Klima schützen will.

Nebenbei bemerkt: Selbstverständlich ist der Zustand, dass charakterlich deformierte, obsessive Figuren (auch ohne Technikschlüssel) überall „herumschrauben“, längst erreicht. Herr Habeck und die Fälscherin ihres eigenen Lebenslaufs sind nur die deutsche Spitze eines intellektuellen Abgrunds, in dem sich hier wie in den USA aber große Teile der Bevölkerung geborgen fühlen.

Das Ende der Bevormundung, wie Gemeinschaften heizen, ihr Zusammenleben organisieren, selbst bestimmen, was sie essen, trinken oder rauchen und selbst bestimmen, wie sie sich schützen, ist dann erreicht, wenn die Menschen der Politik ihre Gefolgschaft versagen und sich selbst organisieren.

Ich muss jetzt Schluss machen, meine Frau hat sich mit dem Kartoffelschälmesserchen in den Finger geschnitten.

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Erstellt am 20.06.2022, zuletzt aktualisiert 25.06.2022 Alle Rechte vorbehalten.    
   
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